U N I C Y C L E M A N . N E T







Tour Oktober 2003

Im Oktober 2003 reisten wir auf Einladung des Goethe-Institutes nach Afrika.
In diesen drei Wochen spielten wir sieben Konzerte in sieben verschiedenen Ländern. Währenddessen fotografierten und schrieben wir für das Onlineportal der Leipziger Volkszeitung leipzig-life. Wünschen Sie weitere Informationen oder höher aufgelöste Fotos, schreiben Sie uns. ->




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Harare, Simbabwe





08.10. - 10.10.2003

Koffer können mehr Probleme bereiten, als es der Hersteller verspricht. Berts Koffer, ein thailändisches Replikat, lies sich nicht verschließen, Ingos Samsonite dagegen nicht mehr öffnen. Dafür wurde der lange Flug nach Johannesburg mit South African Airlines kurzweiliger als befürchtet. Tasty Food und der beste Infofilm über Verhaltensweisen im Flugzeug und bei Notlandung ever. Die durch den Film führende Comicfigur erinnerte uns an Gustav, den Star aus den DDR-Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutzfilmen.

Um das Filmangebot, bestehend aus 14 aktuellen Kinoproduktionen, optimal zu nutzen, hatte man keine Chance, sich auf dem zwölfstündigen Flug einen kurzen erholenden Schlaf zu gönnen, obwohl auch jeder eine Augenbinde mit seinem persönlichen Flugset erhielt.

Nach kurzem Stopp in Johannesburg flogen wir weiter nach Harare. Auf dem Flug lernten wir einen fetten österreichischen Großwildjäger kennen, der seine erlegten Löwen nicht isst. Er wollte auch nicht zu dem Konzert in Harare kommen.

Martin Lötzer von der deutschen Botschaft in Harare holte uns ab und lud uns abends im Namen der deutschen Botschaft zum Essen in ein typisches afrikanisches Restaurant ein, in dem natürlich nur weiße Geschäftsleute und Musiker aus Deutschland saßen. Alle lauschten andächtig dem eigens für dieses Essen organisierten Konzert. Das Management des Restaurants engagierte dafür den berühmtesten und lautstärksten Frosch der afrikanischen Froschmusikszene. Extraordinaire!

Am nächsten Tag lernten wir bald, was man in Afrika wirklich können muss – warten. Um nicht die Nerven zu verlieren kauften wir Sonnenhüte und ließen uns damit fotografieren. Birgit, die Chefin der Zimbabwe-German-Society, und ihre verrückte, noch nie in Indien gewesene indische Freundin verwöhnten uns mit einem köstlichen indischen Mahl. Wir verloren trotzdem die Nerven.

Norbert, der afrikanische Technikverleiher, ließ in einigen Punkten einfach zu lange auf sich warten. Dass wir letztlich nicht alle unsere Nerven verloren, lag nur daran, dass Karl, der Clubbesitzer, extra für unser Konzert seinen Club während des sechsstündigen Soundchecks neu anstreichen ließ.
Abgesehen von den Sound- und Lichtproblemen war es dann doch ein tolles Konzert. Die anschließende Disco war lauter, dafür war bei uns die Tanzfläche voller.

Etwas müde und traurig, da es so schnell vorbei war, verließen wir am nächsten Morgen Harare in Richtung Daressalam. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht, was uns auf dem Weg dahin erwarten würde.





Daressalam/Tansania






10.10. - 13.10.2003

Kennt ihr Lusaka? Wir nämlich auch nicht, obwohl wir uns dort für 25 Minuten auf dem Flughafen im leicht übertemperierten Airplani (Kishwahili-englisch) nach einer notlandungsartigen Regulär-Zwischenlandung mit unseren individuellen Unwohlgefühlen herumschlugen. Die Reise ging weiter über Nairobi, das Herz Ostafrikas, und wurde nach etwa 10 Stunden in Daressalam, vermutlich der Niere der ostafrikanischen Küste, erfolgreich beendet. Einigen von uns ging es weiterhin schlecht.

Ulrike, unsere Betreuerin von der Deutschen Botschaft in Daressalam, verkuppelte uns bei good indish food in Restauranti mit einer elitären Exilantengruppe, bestehend aus deutschen Entwicklungshelferinnen, österreichischen BWL-Studenten, kanadischen Erdgasvertreibern und Afrodeutschen, die sich Elvis nannten und in Jobleasing machen. Das war eigentlich sehr schön und das wesentlich feuchtere Klima ließ das Afrika afrikanischer erscheinen.

Back in Hotel machten wir uns in unseren Suiten breit, Rezeptionsdame Gertrude verwies auf den gut zugänglichen Swimmingpool und Strand, 5 minutes by feed. Wir beginnen uns an dieses Unterbringungslevel zu gewöhnen; wer Unicycleman in Zukunft auswärtig buchen will, sollte dies berücksichtigen.

Der darauf folgende Tag wurde im Speziellen für Ingo eine ganztägige Herausforderung. Nachdem er gemeinsam mit dem Tonte-te-te-techniker Day die Kabel sah, checkte und lötete, lernte er die hiesigen Slums beim Besorgen der Monitore kennen. Bert dagegen hatte beim späteren Soundcheck die Möglichkeit, mit einer der hiesigen Kakerlaken Bekanntschaft zu machen. Eines dieser überaus großen Exemplare fiel ihm nämlich vom Bühnendach des Blue Palms Clubs in den Hemdkragen. Peter brummte nicht nur der Magen, auch die Kanäle vom Mischpult taten uns weh. Wir hofften, und da stirbt man ja bekanntlich zuletzt. Wir starben nicht.

Dann das Konzert. Wir groovten besser als jede Hotelband – doch wo waren die Hotelgäste? Zum Glück waren unsere neu gewonnenen Freunde (die elitären Exilanten) nicht nur standhaft, sondern derart begeistert, dass ein vorzeitiger Abbruch durch den italienischen Clubbesitzer verhindert werden konnte. Wir erholten uns bei fish and chips am indischen Ozean.

Den betrachteten und durchschwammen wir am nächsten Tag. Wir schwelgten, sonnenverbrannt, in Erinnerungen an alte, zweiteilige Türposter aus der DDR. Ob es Peter deshalb wieder schlechter ging, wissen wir nicht. Er landete in Begleitung von Bert und Ulrike im Krankenhaus am Rande dieser Stadt und siehe da, seine astreine Kolik wurde geheilt vom Voodoozauber einer Krankenschwester, deren Schweiß reichlich lief, während sie eine Kanüle in seine Venen wuchtete. Bert beruhigte, Peter protestierte, Ulrike übersetzte und der indische Chefarzt schlug vor. Die ganze Situation ließ an eine Bollywoodversion von Chicago Hope erinnern. Und da wird ja bekanntlich alles gut.

Das veranlasste Drummer Peter Jimmy Jakubik am Abreisetag, seine von Bassist Franz Schwarznau geliehenen 5-Dollar-Scheine auf der Bibi-Tibi-Mohammed-Road zu verschenken, statt zu tauschen. Never trust a man who called himself a Rafiki of you.

Wir sagten Kwaheri zu Daressalam und kehrten zurück ins Herz von Ostafrika.






Nairobi, Kenia







13.10. - 16.10.2003

Tanja Blixen, Joy Adamson, Frau Meyer-Marroth. Drei Frauen – ein Land. Letztere empfing uns am Airport der Hauptstadt von Kenia: Safari, Massai, British Empire und nun auch Unicycleman. Wir residierten in einer nobel anmutenden Großwildjägerbasis-Station, dem Nairobi-Safari-Club-Hotel. Suiten für alle! Inklusive Mücken und vorhandenem Mückentötolin. Ambient rieselte der Putz, und die Abflussrohre säuselten in der Wand. Good night. Gleich um die Ecke bereitstehende MTV-Videotänzerinnen zum Näherkennenlernen wurden von uns ohne Mühe ignoriert.

Good morning. Das kontinentale Frühstück erhielt eine besondere Duftnote durch den ebenso frisch aufgetragenen Fußbodensiegellack. Nur ein wenig oberhalb der Mainroad, auf einem kleinen staubigen Hügel, drangen wir mit unseren gut gefüllten Bäuchen durch die Massai-Markt-Händler-Massen. Umzingelt von etwa einer Millionen Pseudo-Massai versuchten wir relativ erfolgreich, auf uns einstürzende Ritualmasken, Holzspielwaren, Specksteinelefanten, Aluminiumarmreifen und natürlich Quarzuhren asiatischer Qualität abzuwehren. Dank unserer eloquenten Höflichkeit kamen wir mit einer gut gekühlten Cola davon.

Im Godown Arts Centre, dem Werk II von Nairobi, empfing uns Grace Jones, die unter dem Pseudonym Joy slave to the art lebt. Hier, wo am darauf folgenden Abend unser Konzert stattfinden sollte, managet sie Tanzgruppen, Maler und Bildhauer. Bevor wir den Sound checken konnten, checkten wir erneut unsere Leistungsfähigkeit im Warten und harrten der Kabel, die da kommen mochten. Jimmy organisierte derweil ein Treffen mit seinem Vater, der Kenianer ist und lernte dabei eine seiner Schwestern kennen. Der Tag wurde mit konzentrierter Arbeit an der Musik, inspiriert von Whiskey und Luft für Langlaufchamps, im Hotelzimmer von Bert beendet. Wir sind ja schließlich keine Pauschaltouristen!

Am Vormittag darauf führte uns der Gemahl von Frau Meyer-Marroth straight to the Rift Valley, einem riesigen, atemberaubend schönen, von kontinentaler Urgewalt gezeugten Tal. An einem Aussichtspunkt, da wo Tanja Blixen mit heruntergeklapptem Kiefer über die unendlichen Weiten sinnierte, zogen wir es vor, die sozialen Strukturen der im Tal lebenden Massai-Cowboys durch den Erwerb eines Speckstein-Zoos zu verbessern (anstatt wie Tanja nur in der Gegend rumzugucken). Auf dem Rückweg wurden unsere Digitalkameras gefüttert mit Tee- und Kaffeeplantagen, bunt bemalten Geschäften in kleinen Dörfern, edlen Villen in großen Vorstädten und den auch auf Postkarten erhältlichen Weiten Kenias.

Am Abend, so gegen 19 Uhr, füllte sich die Konzerthalle des Godown Arts Centre auf angenehme Art und Weise. Unsere, von Grace Jones alias Joy anempfohlenen Anheizer, die einheimische DJ-Crew Homeboyz, die zu dieser Show nur einer waren, rockten für 20 Minuten ihren CD-Player. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Homeboyz Cubase-User sind und sich über alle ihnen zugemailten Effekt-Cracks freuen würden. info@homeboyz.co.ke

Unser anschließendes Konzert wurde von Plastikstühlen aus höflich klatschend bis ehrlich jubelnd kommentiert. Wir fühlten uns ziemlich gut dabei, und die positiven Feedbacks nach dem Konzert lassen darauf hoffen, dass es ebenso wie von der Löwenforscherin Joy Adamson bald ein Museum von Unicycleman in Nairobi geben wird.

Ein drittes und letztes Mal säuselten uns die Abflussrohre des Safari-Club- Hotels leere Versprechungen zu. Wir verließen mit unserem Flugzeug das noch schlafende Nairobi in Richtung Ruanda.






Kigali/Ruanda






16.10. - 18.10.2003

Auf dem diesmal angenehm kurzen Flug von Nairobi nach Kigali konnten wir sie schon sehen und bewundern – die grünen Hügel von Ruanda. Auf einem solchen stand auch unser Hotel, von dem aus wir über die tausenden kleinen Häuschen der Hauptstadt blicken konnten. Irgendwo in der grünen Weite dahinter kauten die Berggorillas an saftigen Zweigen. Mit einem vollen Tag und einem professionellen Führer kann man sie aus nächster Nähe betrachten.

Für uns langte es am Nachmittag des Anreisetages, nach einem Hub Schlaf, für einen Ausflug an einen Bergsee, in Begleitung von Kira, der hiesigen Vertreterin der deutschen Botschaft. Nett war es dort. Fern des Kigalischen Großstadttreibens (300.000 Einwohner bevölkern die Hauptstadt) relaxten wir in einem Bambushüttenrestaurant direkt am See. Wir bestellten 3 Fische namens Ruanda und 2 Fleischspieße a la surprise. Dazu gab es Flaschenguiness und Löwentatzentee. Mit diesen exorbitanten Flüssigkeiten befeuchteten wir vorsichtig unsere empfindsamen Sangeskehlchen.

Da unsere Fische offensichtlich noch vergnügt im See sich ihrer ungetrübten Lebensfreude hingaben, verbrachten wir die Zeit des Angelns und Spießherumdrehens mit Äffchen-im-Gitter-angucken, Konversation in furchterregendem Englisch, beschissenem Spanisch, Hilfsitalienisch und ganz schlechtem Französisch mit kleinen Kinderkapitänen, die auf dem See herumpaddelten, manche von uns besuchten auch die Duchampsche Toiletteninstallation.

Dann kam le big surprise. Am Spieß aufgereihte Innereien der ruandischen Dorfziege ließen wir vorsichtshalber außerhalb unseres Magens. In selbiges Körperorgan schafften es dann doch einige Stückchen der Süßwasserveteranen, die kurz vorher ihr Leben auf dem Grill aushauchten. Glücklicherweise erfuhren wir erst später vom deutschen Vizebotschafter, dass am Ufer des Sees ein durchaus tödliches Würmchen sein Unwesen treibt.

Gestärkt, gesund und gewaschen besuchten wir am Abend eine Benefizveranstaltung im Centre Culturel Français. Mitglieder des weltweit agierenden Rotary Clubs hatten für die zahlreich erschienenen Spender verschiedene musikalische Dilletantessen aus aller Welt vorbereitet. Das hatte uns nicht so gefallen, Nachtruhe – Licht aus!

Am nächsten Morgen grande surprise Teil 2: Keine Technik vorhanden. Also machte sich Ingo auf die Suche und lernte Mister Kobra kennen, den Inhaber des Old Cadillac – Restaurant, Diskothek, Licht- und Tonverleih in einem. Preise wurden ausgehandelt, Technik verladen und Ingo setzte sich selber als Pfand ein.

Eine Stunde vor Konzertbeginn, die ersten für ihre preußische Pünktlichkeit berühmten Ruander hatten ihre Sitzplätze auf den Rängen bereits eingenommen, stand dann endlich die Tonanlage. Ingo sei Dank!
Schlecht übersetzte Witze und spontane musikalische Zwischeneinlagen machten die Leute während des Konzertes locker. Die Girls kreischten im Ringelreih und die Boys klatschten in Reih und Glied. Jimmys von mehreren Gaffa-Klebebandschichten zusammengehaltenes Basstrommelfell überstand auch die letzte Zugabe, und nicht ganz zu Unrecht versprach der anwesende deutsche Botschafter einen Eintrag ins ruandische Geschichtsbuch.

Klappe zu, Berggorilla tot, ab nach Madagaskar.






Antananarivo, Madagaskar






18.10. - 21.10.2003

Und diesmal war der Flug unangenehm lang. Wir flogen von Kigali zurück nach Nairobi, um dort auf dem Flughafen 5 Stunden unserer kostbaren Zeit mit einem der bekanntesten Kartenspiele unserer Heimat totzuschlagen.

Der nächste Flieger führte uns nach Johannesburg, wo wir eine Nacht auf den finalen Flug nach Madagaskar warten sollten. Am verregneten kalten Morgen begrüßte uns die letzte Riege gutausgebildeter Stewardessen, bevor wir endlich am Hochsicherheitsflughafen von Antananarivo eintrudelten, samt Gertrude und Trüdchen. Diese von uns derart liebenswert getauften Instrumentenkisten mussten beinahe ihre Kunststoffleiber vor den Zollbeamten öffnen. Doch rechtzeitig kam Eckehart, unser Mann aus Madagaskar, verhinderte Nervenderes und schleuste uns durch.

Eine halbstündige Fahrt durch kleine bunte Ortschaften und große grüne Reisfelder vermittelten uns schon das typische insulanische Flair von Madagaskar. Wir erreichten den Platz der Unabhängigkeit mitten im Herzen Antananarivos, checkten im Hotel Tana Plaza ein und kurvten durch madagassische Gassen voller madagassischer Massen, um bei Ecki zu Hause ein Bier abzufassen.

Von der Couch aus dirigierte er das Geschehen, denn er hatte bereits am Morgen sich beim Tennis den Fuß verrenkt. Der hiesige Leiter des Goethe-Institut ist im eigentlichen Sinne Pilot und verständigt sich mit seiner insulanischen Gemahlin mit Pfeiflauten. Diese wiederum ist ein wandelndes Lexikon für Steine und Sternbilder. Unicycleman – Skorpion, Wassermann, Wassermann, Zwilling, Schütze – war begeistert und bestellte ein Ladung heilender Steine.

Zum Glück für den Gaumen ist der französische Einfluss auf die Küche hier nicht unerheblich, der auf den Wein vermutlich gar nicht vorhanden. Das Abendmahl in einem Restaurant mit Stadtblick und dem für hier typischen Valiaorchester war dementsprechend ambivalent. Gutes Essen - Schlechter Wein.

Am nächsten Tag besuchten wir nicht nur die überaus interessante Stadt, sondern auch das Goethe-Institut, wo unser potentielles Publikum, nämlich deutsch lernende Einheimische, in der GI-Kantine mit uns madagassisches Mittagsessen zu sich nahmen. Zeitgleich führten Stempelschnitzer unsere Aufträge direkt am Straßenrand aus.

Von dem etwas befremdlich anmutenden Essen gestärkt begaben wir uns in den Club namens Le Bus, um den Soundcheck unter diesmal wirklich exzellenten technischen Bedingungen zu aller Zufriedenheit in Rekordzeit auszuführen. Etwas länger dauerte es dann, Wäscheleinen um den riesigen Videobeamer zu spannen. Damit sollte dieser vor den zu erwartenden madagassischen Massen abgeschirmt werden. Wenn allerdings Konzerte in einem Club stattfinden, der normalerweise von Donnerstag bis Samstag seine Pforten öffnet, darf man sich nicht wundern, dass an einem der Schließtage, in unserem Falle der Montag, dann doch keine madagassischen Massen kommen.

Dafür erschienen einige der überaus geschmackvollen französischen Ureinwohner der Insel. Die wissen eben, was gute Clubculture ist. Unserem Erfolg hier stand nichts mehr im Weg. Geblendet von den vielen Autogrammen, die wir geben mussten, den Lobhudeleien und der Ladung Steine, die nach dem Konzert über uns ausgeschüttet wurden, beschlossen einige von uns ihre Karriere im Film fortzusetzen. Unter Einfluss von Fassbinder, Kippen, Schnaps und Bier brachten es Franz, Bert, und Ingo immerhin auf eine halbe Stunde kaum zu verstehendes Filmmaterial. Aber so was wird ja gerne genommen. Dieser denkwürdige Dreh fand am Ende des Tages in einem der Hotelzimmer statt.

Die beiden Peters träumten bereits von dem Erwerb von Valias und Klimbim auf dem vorstädtischen Volkskunstmarkt. Die Träume gingen am nächsten Tag in Erfüllung. Mit vollgepackten Taschen verließen wir die liebgewonnene Insel.






Windhoek, Namibia







22.10 - 24.10.2003

Am Anfang der Tour prophezeite Ingo, Namibia werde der Höhepunkt unserer Reise, seine prophetischen Fähigkeiten sollten nun überprüft werden.

Nach wiederholten nächtlichen Zwischenstopps in Johannesburg ging es am Morgen des 22. Oktober nach Windhoek. An der Zollkontrolle wurden wir von tuffen Beamtinnen empfangen, die den Eindruck erweckten, hier rule das Matriarchat. Zwei massive Passportkontrollmiezen würdigten Jimmys Frontalantlitz im Ausweis mit dem Kommentar: What a handsome boy! Jimmy blieb cool wie immer und wir verteilten abschließend Autogrammpostkarten im Stile ganz großer Popstars.

Eine 40 Kilometer lange Fahrt vom Flughafen zur Hauptstadt, im VW-Bus unseres äußerst sympathischen Namibia-Betreuers Stefan Mühr, führte uns vorbei an rauer Schönheit in rauen Mengen. Ein Land voller Büsche und Berge, hier und da hin gestreuten Elefantenausstopffarmen von Deutsch-Namibiern, die hier in mitunter 3. Generation leben, und vielleicht noch ein paar vereinzelter Buschmänner, die vor sich hinschnalzend durchs Heimatland wandern.

Das Safari Club Hotel empfing uns mit frischem Obst, die Koffer wurden mal wieder entlüftet und die gängigen Fernsehprogramme gecheckt. Nachdem einige von uns gut gebauten Popstars am Swimmingpool sich erfrischten und den am Pool anwesenden älteren Ladys noch mehr Schweiß auf die eh schon verschwitzten Gesichter trieb, zeigte uns der hier aufgewachsene Stefan die angeblich sauberste Stadt der Welt.

Mit staunenden Gesichtern fuhren wir an Straßenschildern vorbei, die in uns heimatliche Gefühle weckten: Uhlandstraße, Körnerstraße, Bahnhofstraße. Aber auch eine Genscher Avenue zeugt von deutscher Präsenz bis in die heutige Zeit. Der Anblick des am Stadtrand befindlichen Katutura, eines riesigen Slums aus winzigen Wellblechhütten, zog uns erheblich runter. Afrika zeigte hier mal wieder sein nüchternes Gesicht jenseits der Postkartenmotive und Luxushotels.
Ein Abendmahl im Thüringer Hof, wo wir vergeblich nach Thüringer Rostbratwurst fragten, beendete den Tag.

Stefan, der uns gut umsorgte und informell bereicherte, hatte für den Auftrittstag drei Interviews bei namibischen Radiostationen organisiert. Man stellte die üblichen unüblichen Fragen nach Vorbildern und Bandgründungsdatum, Bert und Peter sinnierten in der namibischen Radio-Öffentlichkeit über Multimedia und Reisestress, Stefan, in den Sendestudios mit anwesend, lobte das Safari Club Hotel, und es war schön, Unicycleman-Musik im afrikanischen Äther zu wissen.

Das Highlight dieser Interviews war das mit Aita, der deutschkundigen Moderatorin der Sendung „Wissen ist Macht – wer dran bleibt wird schlauer“. Aita gehörte zu einer größeren Gruppe von Kindern, die die DDR zu Zeiten des namibischen Unabhängigkeits-Krieges aufgenommen hatte.

Sie verbrachte 10 Jahre in Bellin (Mecklenburg) und Staßfurt, um dann Anfang der 90er nach Namibia zurückzukehren, mit DDR-Kindheit und ohne namibische Identität. Sie war Mitglied des Ossi-Kinder-Clubs in Winhoek und verblüffte uns mit detailliertem DDR-Wissen und beeindruckte durch saloppes Anmoderieren. Die Vergleiche unserer Musik mit Ereasure oder Depeche Mode, die hinken wie eine dreibeinige namibische Giraffe, nahmen wir ihr nicht übel und luden sie ins Warehouse Theatre ein.

Dort soundcheckten wir nachmittags parallel zur Erschaffung einer Presspappen-Theke, die rechtzeitig zum Einlass fertig gestellt war. Alles lief am Schnürchen, und wir konnten beruhigt nochmals ins Hotel, vorbei an Fidel-Castro-Street und Thüringer Hof. Am Heroes Acre, einer abgelegenen Gedenkstätte einheimischer Helden tankten wir noch etwas Heldenmut auf, mit dem wir die Bühne des Warehouse Theatre gegen 21 Uhr enterten.

Endgültig ward Ingo das Prophetentum zugesprochen, denn das Konzert geriet zum Höhepunkt dieser Tour, sitzende bis stehende Ovationen der 40jährigen Damen, wir haben unser neues Zielpublikum. Hinter der frisch gezimmerten Theke tanzten die Cocktailmixer zu Javas Disco-Hi-Hat.
Die Band stieß im Jass, einer hippen Bar in der Nähe, mit Caipirinhas an und wurde vom etwas überdrehten Stefan ordnungsgemäß zurück ins Hotel gebracht.

Kofferpacken – Abreisetag. Zum letzten Mal die Schönheit des Landes genießen, über den Airporthighway flitzende Affen bestaunen, Fotoshooting vor afrikanisierten Bremer Stadtmusikanten am Straßenrand und schlussendlich Abschied von Stefan am Flughafen. Es war der Höhepunkt unserer Reise. Womit schon angedeutet wird, was uns an der letzten Station Johannesburg erwartete.






Johannesburg, Südafrika







24.10 - 26.10.2003

Aller guten Dinge sind nun einmal drei, und so enterten wir zum dritten Mal die Stadt Johannesburg, um unsere glorreiche Afrikatour zu Ende zu bringen.

Diesmal wurden wir von der incredible Lady namens Julia Tsigoida, ihres Zeichens Programmkoordinatorin der GI-Zentrale in Joburg, am Flughafen in Empfang genommen. Wie ihr Name verrät, stammt sie ursprünglich aus Griechenland, und sie verbreitete auf dem Weg zum Courtyard Hotel ihr mentalitätsbedingtes mediterranes, ambient angestresstes Temperament.

Bei Einbruch der Dunkelheit flanierten wir mit ihr und ihrer Tochter durch die hotelnahe Shopping Mall namens The Zone. Wir als ehemalige Zonis waren dort gut aufgehoben, und so genehmigten wir uns mal wieder, wie so oft während dieser Tour, in einem Steakhouse T-bone Steaks, 400g, medium oder well done. Dazu gab es südafrikanischen Rotwein, bei dem man selten was falsch machen kann, und Julias Ratschläge zum Thema Sternzeichen. Wir waren wieder an eine Stein- und Sterndeuterin geraten, die unsere Erkenntnisse über das Wirken von Opal und ähnlichen Steinen, die wir in Madagaskar erlangt hatten, in Frage und auf den Kopf stellte. Egal, lustig war es mal wieder in trauter Bandrunde und so wurden die deutlichen Anzeichen von Heimweh erfolgreich verdrängt.

Irene und Michael vom Courtyard Hotel servierten uns lazy Whites am Morgen darauf ein sehr gutes Frühstück, und dem Verdauen am Pool folgte ein Besuch im African Market nahe der eingangs erwähnten Shopping Mall. Dort ging es um letzte Geschenkkäufe für die in der Heimat wartende Familienbande. Wer sich nicht für einen wofür oder wogegen auch immer wirkenden Zauberstein entscheiden konnte, hatte immer noch die Möglichkeit, eine Tin Tin-Trashfigur aus Holz auf die Hälfte herunterzuhandeln. Mancher der Handeltreibenden versprach auch am Abend zu dem Konzert im scheinbar mittelmäßig bekannten Marx Park Areal zu kommen.

Das nachmittägliche Grillen beim Chef der Programmarbeit des Goethe-Institutes in Joburg, Nikolai Petersen, sollte zum positiven Höhepunkt des Tages werden. Umgeben von weißen Hunden und blonden Kindern genossen wir den Geruch des Jacarandabaumes, der gerade überall seine lila Blüten ausstreute, und schauten entspannt einem vorübergehenden Regenschauer zu.

Gegen 18 Uhr trafen wir am Veranstaltungsort ein, eine halbe Stunde vom Stadtkern entfernt, zwischen Fußballfeldern und undefinierbarer Suburbia, stand da ein 100 Tische fassendes weißes Bierzelt und gemahnte an bayrische Lebensfreude. Sinnigerweise hieß die Veranstaltung, deren Headliner wir darstellen sollten, Rocktober.

Nach aufreibender Diskussion über den tiefen Sinn eines technical riders bestiegen wir für eine halbe Stunde die Bühne und gaben uns der Magie einer eingespielten Band hin. Männerverbundenheit mit Groove, was will man in einer solchen Situation mehr. Das wenige Publikum taumelte noch kurz zu Corleone und dann nach Hause. Gary, der Promoter des 5 Bands umfassenden Festivals entschuldigte sich in einer hidden Track aufnahmewürdigen emotionalen Rede und versprach uns für den nächsten Tag eine Rundreise durch Johannesburg.

Den Mittag darauf löste dieser unglaublich riesige Mensch sein Versprechen ein, und wir begaben uns auf den Weg zur Cradle of Mankind, einer Hügellandschaft nahe der Hauptstadt, wo angeblich die ersten Menschen ihr Unwesen trieben. Wie waren die wohl damals organisiert? Wir können es nur ahnen. Im Restaurant am Fußende der Wiege der Menschheit gab es Leckeres und südafrikanische Witze über Zebras mit weißen Streifen und Autos im Hintern. Gary und seine Freunde erwiesen sich als coole Kumpels und mit Tekkno im Cabriolet ging es zurück nach Joburg. Ein Flugzeug wartete auf uns.

Leb wohl, Afrika.


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