Tour
Oktober 2003
Im Oktober 2003 reisten wir auf Einladung des Goethe-Institutes nach
Afrika.
In diesen drei Wochen spielten wir sieben Konzerte in sieben
verschiedenen Ländern. Währenddessen fotografierten
und schrieben wir für das Onlineportal der Leipziger
Volkszeitung leipzig-life.
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Reisebericht
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Harare, Simbabwe
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08.10. - 10.10.2003
Koffer können mehr Probleme
bereiten, als es der Hersteller verspricht. Berts Koffer,
ein thailändisches Replikat, lies sich nicht verschließen,
Ingos Samsonite dagegen nicht mehr öffnen. Dafür
wurde der lange Flug nach Johannesburg mit South African
Airlines kurzweiliger als befürchtet. Tasty Food
und der beste Infofilm über Verhaltensweisen im
Flugzeug und bei Notlandung ever. Die durch den Film
führende Comicfigur erinnerte uns an Gustav, den
Star aus den DDR-Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutzfilmen.
Um das Filmangebot, bestehend aus 14 aktuellen Kinoproduktionen,
optimal zu nutzen, hatte man keine Chance, sich auf
dem zwölfstündigen Flug einen kurzen erholenden
Schlaf zu gönnen, obwohl auch jeder eine Augenbinde
mit seinem persönlichen Flugset erhielt.
Nach kurzem Stopp in Johannesburg flogen wir weiter
nach Harare. Auf dem Flug lernten wir einen fetten österreichischen
Großwildjäger kennen, der seine erlegten
Löwen nicht isst. Er wollte auch nicht zu dem
Konzert in Harare kommen.
Martin Lötzer von der deutschen Botschaft in Harare
holte uns ab und lud uns abends im Namen der deutschen
Botschaft zum Essen in ein typisches afrikanisches
Restaurant ein, in dem natürlich nur weiße
Geschäftsleute und Musiker aus Deutschland saßen.
Alle lauschten andächtig dem eigens für dieses
Essen organisierten Konzert. Das Management des Restaurants
engagierte dafür den berühmtesten und lautstärksten
Frosch der afrikanischen Froschmusikszene. Extraordinaire!
Am nächsten Tag lernten wir bald, was man in Afrika
wirklich können muss – warten. Um nicht
die Nerven zu verlieren kauften wir Sonnenhüte
und ließen uns damit fotografieren. Birgit, die
Chefin der Zimbabwe-German-Society, und ihre verrückte,
noch nie in Indien gewesene indische Freundin verwöhnten
uns mit einem köstlichen indischen Mahl. Wir verloren
trotzdem die Nerven.
Norbert, der afrikanische Technikverleiher, ließ in
einigen Punkten einfach zu lange auf sich warten. Dass
wir letztlich nicht alle unsere Nerven verloren, lag
nur daran, dass Karl, der Clubbesitzer, extra für
unser Konzert seinen Club während des sechsstündigen
Soundchecks neu anstreichen ließ.
Abgesehen von den Sound- und Lichtproblemen war es
dann doch ein tolles Konzert. Die anschließende
Disco war lauter, dafür war bei uns die Tanzfläche
voller.
Etwas müde und traurig, da es so schnell vorbei
war, verließen wir am nächsten Morgen Harare
in Richtung Daressalam. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt
allerdings noch nicht, was uns auf dem Weg dahin erwarten
würde.

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Daressalam/Tansania
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10.10. - 13.10.2003
Kennt ihr Lusaka? Wir nämlich auch nicht,
obwohl wir uns dort für 25 Minuten auf dem
Flughafen im leicht übertemperierten Airplani
(Kishwahili-englisch) nach einer notlandungsartigen
Regulär-Zwischenlandung mit unseren individuellen
Unwohlgefühlen herumschlugen. Die Reise ging
weiter über Nairobi, das Herz Ostafrikas,
und wurde nach etwa 10 Stunden in Daressalam, vermutlich
der Niere der ostafrikanischen Küste, erfolgreich
beendet. Einigen von uns ging es weiterhin schlecht.
Ulrike, unsere Betreuerin von der Deutschen Botschaft
in Daressalam, verkuppelte uns bei good indish
food in Restauranti mit einer elitären Exilantengruppe,
bestehend aus deutschen Entwicklungshelferinnen, österreichischen
BWL-Studenten, kanadischen Erdgasvertreibern und
Afrodeutschen, die sich Elvis nannten und in Jobleasing
machen. Das war eigentlich sehr schön und
das wesentlich feuchtere Klima ließ das Afrika
afrikanischer erscheinen.
Back in Hotel machten wir uns in unseren Suiten
breit, Rezeptionsdame Gertrude verwies auf den
gut zugänglichen Swimmingpool und Strand,
5 minutes by feed. Wir beginnen uns an dieses Unterbringungslevel
zu gewöhnen; wer Unicycleman in Zukunft auswärtig
buchen will, sollte dies berücksichtigen.
Der darauf folgende Tag wurde im Speziellen für
Ingo eine ganztägige Herausforderung. Nachdem
er gemeinsam mit dem Tonte-te-te-techniker Day
die Kabel sah, checkte und lötete, lernte
er die hiesigen Slums beim Besorgen der Monitore
kennen. Bert dagegen hatte beim späteren Soundcheck
die Möglichkeit, mit einer der hiesigen Kakerlaken
Bekanntschaft zu machen. Eines dieser überaus
großen Exemplare fiel ihm nämlich vom
Bühnendach des Blue Palms Clubs in den Hemdkragen.
Peter brummte nicht nur der Magen, auch die Kanäle
vom Mischpult taten uns weh. Wir hofften, und da
stirbt man ja bekanntlich zuletzt. Wir starben
nicht.
Dann das Konzert. Wir groovten besser als jede
Hotelband – doch wo waren die Hotelgäste?
Zum Glück waren unsere neu gewonnenen Freunde
(die elitären Exilanten) nicht nur standhaft,
sondern derart begeistert, dass ein vorzeitiger
Abbruch durch den italienischen Clubbesitzer verhindert
werden konnte. Wir erholten uns bei fish and chips
am indischen Ozean.
Den betrachteten und durchschwammen wir am nächsten
Tag. Wir schwelgten, sonnenverbrannt, in Erinnerungen
an alte, zweiteilige Türposter aus der DDR.
Ob es Peter deshalb wieder schlechter ging, wissen
wir nicht. Er landete in Begleitung von Bert und
Ulrike im Krankenhaus am Rande dieser Stadt und
siehe da, seine astreine Kolik wurde geheilt vom
Voodoozauber einer Krankenschwester, deren Schweiß reichlich
lief, während sie eine Kanüle in seine
Venen wuchtete. Bert beruhigte, Peter protestierte,
Ulrike übersetzte und der indische Chefarzt
schlug vor. Die ganze Situation ließ an eine
Bollywoodversion von Chicago Hope erinnern. Und
da wird ja bekanntlich alles gut.
Das veranlasste Drummer Peter Jimmy Jakubik am
Abreisetag, seine von Bassist Franz Schwarznau
geliehenen 5-Dollar-Scheine auf der Bibi-Tibi-Mohammed-Road
zu verschenken, statt zu tauschen. Never trust
a man who called himself a Rafiki of you.
Wir sagten Kwaheri zu Daressalam und kehrten zurück
ins Herz von Ostafrika.
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Nairobi, Kenia
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13.10. - 16.10.2003
Tanja Blixen, Joy
Adamson, Frau Meyer-Marroth. Drei Frauen – ein
Land. Letztere empfing uns am Airport der Hauptstadt
von Kenia: Safari, Massai, British Empire und nun
auch Unicycleman. Wir residierten in einer nobel
anmutenden Großwildjägerbasis-Station,
dem Nairobi-Safari-Club-Hotel. Suiten für
alle! Inklusive Mücken und vorhandenem Mückentötolin.
Ambient rieselte der Putz, und die Abflussrohre
säuselten in der Wand. Good night. Gleich
um die Ecke bereitstehende MTV-Videotänzerinnen
zum Näherkennenlernen wurden von uns ohne
Mühe ignoriert.
Good morning. Das kontinentale Frühstück
erhielt eine besondere Duftnote durch den ebenso
frisch aufgetragenen Fußbodensiegellack.
Nur ein wenig oberhalb der Mainroad, auf einem
kleinen staubigen Hügel, drangen wir mit unseren
gut gefüllten Bäuchen durch die Massai-Markt-Händler-Massen.
Umzingelt von etwa einer Millionen Pseudo-Massai
versuchten wir relativ erfolgreich, auf uns einstürzende
Ritualmasken, Holzspielwaren, Specksteinelefanten,
Aluminiumarmreifen und natürlich Quarzuhren
asiatischer Qualität abzuwehren. Dank unserer
eloquenten Höflichkeit kamen wir mit einer
gut gekühlten Cola davon.
Im Godown Arts Centre,
dem Werk II von Nairobi, empfing uns Grace Jones,
die unter dem Pseudonym Joy slave to the art lebt.
Hier, wo am darauf folgenden Abend unser Konzert
stattfinden sollte, managet sie Tanzgruppen, Maler
und Bildhauer. Bevor wir den Sound checken konnten,
checkten wir erneut unsere Leistungsfähigkeit
im Warten und harrten der Kabel, die da kommen
mochten. Jimmy organisierte derweil ein Treffen
mit seinem Vater, der Kenianer ist und lernte dabei
eine seiner Schwestern kennen. Der Tag wurde mit konzentrierter
Arbeit an der Musik, inspiriert von Whiskey und
Luft für
Langlaufchamps, im Hotelzimmer von Bert beendet.
Wir sind ja schließlich keine Pauschaltouristen!
Am Vormittag darauf führte uns der Gemahl
von Frau Meyer-Marroth straight to the Rift Valley,
einem riesigen, atemberaubend schönen, von
kontinentaler Urgewalt gezeugten Tal. An einem
Aussichtspunkt, da wo Tanja Blixen mit heruntergeklapptem
Kiefer über die unendlichen Weiten sinnierte,
zogen wir es vor, die sozialen Strukturen der im
Tal lebenden Massai-Cowboys durch den Erwerb eines
Speckstein-Zoos zu verbessern (anstatt wie Tanja
nur in der Gegend rumzugucken). Auf dem Rückweg
wurden unsere Digitalkameras gefüttert mit
Tee- und Kaffeeplantagen, bunt bemalten Geschäften
in kleinen Dörfern, edlen Villen in großen
Vorstädten und den auch auf Postkarten erhältlichen
Weiten Kenias.
Am Abend, so gegen 19 Uhr, füllte sich die
Konzerthalle des Godown Arts Centre auf angenehme
Art und Weise. Unsere, von Grace Jones alias Joy
anempfohlenen Anheizer, die einheimische DJ-Crew
Homeboyz, die zu dieser Show nur einer waren, rockten
für 20 Minuten ihren CD-Player. In diesem
Zusammenhang sei erwähnt, dass die Homeboyz
Cubase-User sind und sich über alle ihnen
zugemailten Effekt-Cracks freuen würden. info@homeboyz.co.ke
Unser anschließendes Konzert wurde von Plastikstühlen
aus höflich klatschend bis ehrlich jubelnd
kommentiert. Wir fühlten uns ziemlich gut
dabei, und die positiven Feedbacks nach dem Konzert
lassen darauf hoffen, dass es ebenso wie von der
Löwenforscherin Joy Adamson bald ein Museum
von Unicycleman in Nairobi geben wird.
Ein drittes und letztes Mal säuselten uns
die Abflussrohre des Safari-Club- Hotels leere
Versprechungen zu. Wir verließen mit unserem
Flugzeug das noch schlafende Nairobi in Richtung
Ruanda.
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Kigali/Ruanda
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16.10. - 18.10.2003
Auf dem diesmal angenehm kurzen Flug von Nairobi nach Kigali
konnten wir sie schon sehen und bewundern – die grünen Hügel
von Ruanda. Auf einem solchen stand auch unser Hotel, von dem aus wir über
die tausenden kleinen Häuschen der Hauptstadt blicken konnten. Irgendwo
in der grünen Weite dahinter kauten die Berggorillas an saftigen Zweigen.
Mit einem vollen Tag und einem professionellen Führer kann man sie aus nächster
Nähe betrachten.
Für uns langte es am Nachmittag des Anreisetages,
nach einem Hub Schlaf, für einen Ausflug an einen Bergsee, in Begleitung
von Kira, der hiesigen Vertreterin der deutschen Botschaft. Nett war es dort.
Fern des Kigalischen Großstadttreibens (300.000 Einwohner bevölkern
die Hauptstadt) relaxten wir in einem Bambushüttenrestaurant direkt am See.
Wir bestellten 3 Fische namens Ruanda und 2 Fleischspieße a la surprise.
Dazu gab es Flaschenguiness und Löwentatzentee. Mit diesen exorbitanten
Flüssigkeiten befeuchteten wir vorsichtig unsere empfindsamen Sangeskehlchen.
Da unsere Fische offensichtlich noch vergnügt im See sich ihrer ungetrübten
Lebensfreude hingaben, verbrachten wir die Zeit des Angelns und Spießherumdrehens
mit Äffchen-im-Gitter-angucken, Konversation in furchterregendem Englisch,
beschissenem Spanisch, Hilfsitalienisch und ganz schlechtem Französisch
mit kleinen Kinderkapitänen, die auf dem See herumpaddelten, manche von
uns besuchten auch die Duchampsche Toiletteninstallation.
Dann kam le big surprise.
Am Spieß aufgereihte Innereien der ruandischen Dorfziege ließen wir
vorsichtshalber außerhalb unseres Magens. In selbiges Körperorgan
schafften es dann doch einige Stückchen der Süßwasserveteranen,
die kurz vorher ihr Leben auf dem Grill aushauchten. Glücklicherweise erfuhren
wir erst später vom deutschen Vizebotschafter, dass am Ufer des Sees ein
durchaus tödliches Würmchen sein Unwesen treibt.
Gestärkt, gesund und gewaschen besuchten wir am Abend eine Benefizveranstaltung
im Centre Culturel Français. Mitglieder des weltweit agierenden Rotary
Clubs hatten für die zahlreich erschienenen Spender verschiedene musikalische
Dilletantessen aus aller Welt vorbereitet. Das hatte uns nicht so gefallen, Nachtruhe – Licht
aus!
Am nächsten Morgen grande surprise Teil 2: Keine Technik vorhanden. Also
machte sich Ingo auf die Suche und lernte Mister Kobra kennen, den Inhaber des
Old Cadillac – Restaurant, Diskothek, Licht- und Tonverleih in einem. Preise
wurden ausgehandelt, Technik verladen und Ingo setzte sich selber als Pfand ein.
Eine Stunde vor Konzertbeginn, die ersten für ihre preußische Pünktlichkeit
berühmten Ruander hatten ihre Sitzplätze auf den Rängen bereits
eingenommen, stand dann endlich die Tonanlage. Ingo sei Dank!
Schlecht übersetzte Witze und spontane musikalische Zwischeneinlagen machten
die Leute während des Konzertes locker. Die Girls kreischten im Ringelreih
und die Boys klatschten in Reih und Glied. Jimmys von mehreren Gaffa-Klebebandschichten
zusammengehaltenes Basstrommelfell überstand auch die letzte Zugabe, und
nicht ganz zu Unrecht versprach der anwesende deutsche Botschafter einen Eintrag
ins ruandische Geschichtsbuch.
Klappe zu, Berggorilla tot, ab nach Madagaskar.
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Antananarivo, Madagaskar
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18.10. - 21.10.2003
Und diesmal war der Flug unangenehm lang. Wir flogen von Kigali zurück nach
Nairobi, um dort auf dem Flughafen 5 Stunden unserer kostbaren Zeit mit einem
der bekanntesten Kartenspiele unserer Heimat totzuschlagen.
Der nächste
Flieger führte uns nach Johannesburg, wo wir eine Nacht auf den finalen
Flug nach Madagaskar warten sollten. Am verregneten kalten Morgen begrüßte
uns die letzte Riege gutausgebildeter Stewardessen, bevor wir endlich am Hochsicherheitsflughafen
von Antananarivo eintrudelten, samt Gertrude und Trüdchen. Diese von uns
derart liebenswert getauften Instrumentenkisten mussten beinahe ihre Kunststoffleiber
vor den Zollbeamten öffnen. Doch rechtzeitig kam Eckehart, unser Mann aus
Madagaskar, verhinderte Nervenderes und schleuste uns durch.
Eine halbstündige Fahrt durch kleine bunte Ortschaften und große grüne
Reisfelder vermittelten uns schon das typische insulanische Flair von Madagaskar.
Wir erreichten den Platz der Unabhängigkeit mitten im Herzen Antananarivos,
checkten im Hotel Tana Plaza ein und kurvten durch madagassische Gassen voller
madagassischer Massen, um bei Ecki zu Hause ein Bier abzufassen.
Von der Couch
aus dirigierte er das Geschehen, denn er hatte bereits am Morgen sich beim Tennis
den Fuß verrenkt. Der hiesige Leiter des Goethe-Institut ist im eigentlichen
Sinne Pilot und verständigt sich mit seiner insulanischen Gemahlin mit Pfeiflauten.
Diese wiederum ist ein wandelndes Lexikon für Steine und Sternbilder. Unicycleman – Skorpion,
Wassermann, Wassermann, Zwilling, Schütze – war begeistert und bestellte
ein Ladung heilender Steine.
Zum Glück für den Gaumen ist der französische Einfluss auf die
Küche hier nicht unerheblich, der auf den Wein vermutlich gar nicht vorhanden.
Das Abendmahl in einem Restaurant mit Stadtblick und dem für hier typischen
Valiaorchester war dementsprechend ambivalent. Gutes Essen - Schlechter Wein.
Am nächsten Tag besuchten wir nicht nur die überaus interessante Stadt,
sondern auch das Goethe-Institut, wo unser potentielles Publikum, nämlich
deutsch lernende Einheimische, in der GI-Kantine mit uns madagassisches Mittagsessen
zu sich nahmen. Zeitgleich führten Stempelschnitzer unsere Aufträge
direkt am Straßenrand aus.
Von dem etwas befremdlich anmutenden Essen gestärkt
begaben wir uns in den Club namens Le Bus, um den Soundcheck unter diesmal wirklich
exzellenten technischen
Bedingungen zu aller Zufriedenheit in Rekordzeit auszuführen. Etwas länger
dauerte es dann, Wäscheleinen um den riesigen Videobeamer zu spannen. Damit
sollte dieser vor den zu erwartenden madagassischen Massen abgeschirmt werden.
Wenn allerdings Konzerte in einem Club stattfinden, der normalerweise von Donnerstag
bis Samstag seine Pforten öffnet, darf man sich nicht wundern, dass an einem
der Schließtage, in unserem Falle der Montag, dann doch keine madagassischen
Massen kommen.
Dafür erschienen einige der überaus geschmackvollen französischen
Ureinwohner der Insel. Die wissen eben, was gute Clubculture ist. Unserem Erfolg
hier stand nichts mehr im Weg. Geblendet von den vielen Autogrammen, die wir
geben mussten, den Lobhudeleien und der Ladung Steine, die nach dem Konzert über
uns ausgeschüttet wurden, beschlossen einige von uns ihre Karriere im Film
fortzusetzen. Unter Einfluss von Fassbinder, Kippen, Schnaps und Bier brachten
es Franz, Bert, und Ingo immerhin auf eine halbe Stunde kaum zu verstehendes
Filmmaterial. Aber so was wird ja gerne genommen. Dieser denkwürdige Dreh
fand am Ende des Tages in einem der Hotelzimmer statt.
Die beiden Peters träumten
bereits von dem Erwerb von Valias und Klimbim auf dem vorstädtischen Volkskunstmarkt.
Die Träume gingen am nächsten Tag in Erfüllung. Mit vollgepackten
Taschen verließen wir die liebgewonnene Insel.
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Windhoek, Namibia
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22.10 - 24.10.2003
Am Anfang der Tour
prophezeite Ingo, Namibia werde der Höhepunkt
unserer Reise, seine prophetischen Fähigkeiten
sollten nun überprüft werden.
Nach
wiederholten nächtlichen Zwischenstopps
in Johannesburg ging es am Morgen des 22. Oktober
nach Windhoek. An der Zollkontrolle wurden wir
von tuffen Beamtinnen empfangen, die den Eindruck
erweckten, hier rule das Matriarchat. Zwei massive
Passportkontrollmiezen würdigten Jimmys
Frontalantlitz im Ausweis mit dem Kommentar:
What a handsome boy! Jimmy blieb cool wie immer
und wir verteilten abschließend Autogrammpostkarten
im Stile ganz großer Popstars.
Eine 40 Kilometer lange Fahrt vom Flughafen zur
Hauptstadt, im VW-Bus unseres äußerst
sympathischen Namibia-Betreuers Stefan Mühr,
führte uns vorbei an rauer Schönheit
in rauen Mengen. Ein Land voller Büsche
und Berge, hier und da hin gestreuten Elefantenausstopffarmen
von Deutsch-Namibiern, die hier in mitunter 3.
Generation leben, und vielleicht noch ein paar
vereinzelter Buschmänner, die vor sich hinschnalzend
durchs Heimatland wandern.
Das Safari Club Hotel empfing uns mit frischem
Obst, die Koffer wurden mal wieder entlüftet
und die gängigen Fernsehprogramme gecheckt.
Nachdem einige von uns gut gebauten Popstars
am Swimmingpool sich erfrischten und den am Pool
anwesenden älteren Ladys noch mehr Schweiß auf
die eh schon verschwitzten Gesichter trieb, zeigte
uns der hier aufgewachsene Stefan die angeblich
sauberste Stadt der Welt.
Mit staunenden Gesichtern
fuhren wir an Straßenschildern vorbei,
die in uns heimatliche Gefühle weckten:
Uhlandstraße, Körnerstraße,
Bahnhofstraße. Aber auch eine Genscher
Avenue zeugt von deutscher Präsenz bis in
die heutige Zeit. Der Anblick des am Stadtrand
befindlichen Katutura, eines riesigen Slums aus
winzigen Wellblechhütten, zog uns erheblich
runter. Afrika zeigte hier mal wieder sein nüchternes
Gesicht jenseits der Postkartenmotive und Luxushotels.
Ein Abendmahl im Thüringer Hof, wo wir vergeblich
nach Thüringer Rostbratwurst fragten, beendete
den Tag.
Stefan, der uns gut umsorgte und informell bereicherte,
hatte für den Auftrittstag drei Interviews
bei namibischen Radiostationen organisiert. Man
stellte die üblichen unüblichen Fragen
nach Vorbildern und Bandgründungsdatum,
Bert und Peter sinnierten in der namibischen
Radio-Öffentlichkeit über Multimedia
und Reisestress, Stefan, in den Sendestudios
mit anwesend, lobte das Safari Club Hotel, und
es war schön, Unicycleman-Musik im afrikanischen Äther
zu wissen.
Das Highlight dieser Interviews war
das mit Aita, der deutschkundigen Moderatorin
der Sendung „Wissen ist Macht – wer
dran bleibt wird schlauer“. Aita gehörte
zu einer größeren Gruppe von Kindern,
die die DDR zu Zeiten des namibischen Unabhängigkeits-Krieges
aufgenommen hatte.
Sie verbrachte 10 Jahre in
Bellin (Mecklenburg) und Staßfurt, um dann
Anfang der 90er nach Namibia zurückzukehren,
mit DDR-Kindheit und ohne namibische Identität.
Sie war Mitglied des Ossi-Kinder-Clubs in Winhoek
und verblüffte uns mit detailliertem DDR-Wissen
und beeindruckte durch saloppes Anmoderieren.
Die Vergleiche unserer Musik mit Ereasure oder
Depeche Mode, die hinken wie eine dreibeinige
namibische Giraffe, nahmen wir ihr nicht übel
und luden sie ins Warehouse Theatre ein.
Dort
soundcheckten wir nachmittags parallel zur Erschaffung
einer Presspappen-Theke, die rechtzeitig zum
Einlass fertig gestellt war. Alles lief am Schnürchen,
und wir konnten beruhigt nochmals ins Hotel,
vorbei an Fidel-Castro-Street und Thüringer
Hof. Am Heroes Acre, einer abgelegenen Gedenkstätte
einheimischer Helden tankten wir noch etwas Heldenmut
auf, mit dem wir die Bühne des Warehouse
Theatre gegen 21 Uhr enterten.
Endgültig
ward Ingo das Prophetentum zugesprochen, denn
das Konzert geriet zum Höhepunkt dieser
Tour, sitzende bis stehende Ovationen der 40jährigen
Damen, wir haben unser neues Zielpublikum. Hinter
der frisch gezimmerten Theke tanzten die Cocktailmixer
zu Javas Disco-Hi-Hat.
Die Band stieß im Jass, einer hippen Bar
in der Nähe, mit Caipirinhas an und wurde
vom etwas überdrehten Stefan ordnungsgemäß zurück
ins Hotel gebracht.
Kofferpacken – Abreisetag. Zum letzten
Mal die Schönheit des Landes genießen, über
den Airporthighway flitzende Affen bestaunen,
Fotoshooting vor afrikanisierten Bremer Stadtmusikanten
am Straßenrand und schlussendlich Abschied
von Stefan am Flughafen. Es war der Höhepunkt
unserer Reise. Womit schon angedeutet wird, was
uns an der letzten
Station Johannesburg erwartete.
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Johannesburg, Südafrika
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24.10 - 26.10.2003
Aller guten Dinge sind nun einmal drei, und
so enterten wir zum dritten Mal die Stadt Johannesburg,
um unsere glorreiche Afrikatour zu Ende zu bringen.
Diesmal wurden wir von der incredible Lady namens Julia
Tsigoida,
ihres Zeichens Programmkoordinatorin der
GI-Zentrale in Joburg, am Flughafen in Empfang genommen.
Wie ihr Name verrät, stammt sie ursprünglich
aus Griechenland, und sie verbreitete auf dem Weg zum
Courtyard Hotel ihr mentalitätsbedingtes mediterranes,
ambient angestresstes Temperament.
Bei Einbruch der
Dunkelheit flanierten wir mit ihr und ihrer Tochter
durch die hotelnahe Shopping Mall namens The Zone.
Wir als ehemalige Zonis waren dort gut aufgehoben,
und so genehmigten wir uns mal wieder, wie so oft während
dieser Tour, in einem Steakhouse T-bone Steaks, 400g,
medium oder well done. Dazu gab es südafrikanischen
Rotwein, bei dem man selten was falsch machen kann,
und Julias Ratschläge zum Thema Sternzeichen.
Wir waren wieder an eine Stein- und Sterndeuterin geraten,
die unsere Erkenntnisse über das Wirken von Opal
und ähnlichen Steinen, die wir in Madagaskar erlangt
hatten, in Frage und auf den Kopf stellte. Egal, lustig
war es mal wieder in trauter Bandrunde und so wurden
die deutlichen Anzeichen von Heimweh erfolgreich verdrängt.
Irene und Michael vom Courtyard Hotel servierten uns
lazy Whites am Morgen darauf ein sehr gutes Frühstück,
und dem Verdauen am Pool folgte ein Besuch im African
Market nahe der eingangs erwähnten Shopping Mall.
Dort ging es um letzte Geschenkkäufe für
die in der Heimat wartende Familienbande. Wer sich
nicht für einen wofür oder wogegen auch immer
wirkenden Zauberstein entscheiden konnte, hatte immer
noch die Möglichkeit, eine Tin Tin-Trashfigur
aus Holz auf die Hälfte herunterzuhandeln. Mancher
der Handeltreibenden versprach auch am Abend zu dem
Konzert im scheinbar mittelmäßig bekannten
Marx Park Areal zu kommen.
Das nachmittägliche Grillen beim Chef der Programmarbeit
des Goethe-Institutes in Joburg, Nikolai Petersen,
sollte zum positiven Höhepunkt des Tages werden.
Umgeben von weißen Hunden und blonden Kindern
genossen wir den Geruch des Jacarandabaumes, der gerade überall
seine lila Blüten ausstreute, und schauten entspannt
einem vorübergehenden Regenschauer zu.
Gegen 18 Uhr trafen wir am Veranstaltungsort ein, eine
halbe Stunde vom Stadtkern entfernt, zwischen Fußballfeldern
und undefinierbarer Suburbia, stand da ein 100 Tische
fassendes weißes Bierzelt und gemahnte an bayrische
Lebensfreude. Sinnigerweise hieß die Veranstaltung,
deren Headliner wir darstellen sollten, Rocktober.
Nach aufreibender Diskussion über den tiefen Sinn
eines technical riders bestiegen wir für eine
halbe Stunde die Bühne und gaben uns der Magie
einer eingespielten Band hin. Männerverbundenheit
mit Groove, was will man in einer solchen Situation
mehr. Das wenige Publikum taumelte noch kurz zu Corleone
und dann nach Hause. Gary, der Promoter des 5 Bands
umfassenden Festivals entschuldigte sich in einer hidden
Track aufnahmewürdigen emotionalen Rede und versprach
uns für den nächsten Tag eine Rundreise durch
Johannesburg.
Den Mittag darauf löste dieser unglaublich riesige
Mensch sein Versprechen ein, und wir begaben uns auf
den Weg zur Cradle of Mankind, einer Hügellandschaft
nahe der Hauptstadt, wo angeblich die ersten Menschen
ihr Unwesen trieben. Wie waren die wohl damals organisiert?
Wir können es nur ahnen. Im Restaurant am Fußende
der Wiege der Menschheit gab es Leckeres und südafrikanische
Witze über Zebras mit weißen Streifen und
Autos im Hintern. Gary und seine Freunde erwiesen sich
als coole Kumpels und mit Tekkno im Cabriolet ging
es zurück nach Joburg.
Ein Flugzeug wartete auf
uns.
Leb wohl, Afrika.
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